The Power of Pricing

von Dirk Hoffmeister

Kostendruck und die typische Reaktion von Unternehmen

Kostendruck und die typische Reaktion von Unternehmen

In Zeiten, in denen steigende Kosten die Margen drücken, gehen Unternehmen in erster Linie daran, die aus ihrer Sicht unnötigen Kosten zu reduzieren oder Ausgaben zu streichen, welche sie für verzichtbar halten. Typische Beispiele sind Einsparungen im Marketing, im Gebäudemanagement oder auch bei den Gehältern.

Die Preise werden hingegen in der Regel nicht angepasst, da die Kunden dieses nicht zulassen würden oder man riskiere, Marktanteile und Umsätze zu verlieren.

Problem: sinkende Marge / zu hoher Breakeven

Die Marge ist bekanntlich die Differenz vom Verkaufspreis und den Selbstkosten. Sinkt die Marge oder rutscht sie sogar unter Breakeven, so kann nur gegengesteuert werden, wenn ein Unter-nehmen die Kosten senkt, die Konditionen reduziert oder aber die Preise erhöht. Wirtschaftlich gut aufgestellte Industrieunternehmen in Europa arbeiten auf einem Breakeven Niveau von etwa 15…20%, womit alle Fixkosten (Overheads, Vertrieb, Produktion, Entwicklung, etc.) abgedeckt sind. Hat ein Unternehmen bereits dieses Niveau erreicht, ist eine weitere Reduktion der Fixkosten kaum noch möglich. In solchen Fällen wird dann meist der Einkauf bemüht, die variablen Kosten zu senken, was allerdings aufgrund bestehender Qualitätsanforderungen oft nur sehr schwer möglich ist oder zu Lasten der Qualität führt. Dieses jedoch bringt nicht selten eine Erhöhung der Qualitäts-kosten in Form von höheren Ausschussraten oder einer steigenden Anzahl von Reklamationen mit sich. In Summe werden sich durch ein Vorgehen dieser Art die Vollkosten eines Produktes kaum reduzieren lassen, was oft erst Monate nach Umsetzung der Maßnahmen erkannt wird.

Der Margenhebel Pricing

Neben der Reduzierung der Kosten liegt ein ähnlich großer Hebel im Pricing. Schafft ein Unternehmen es, in den Märkten für ein stabiles Preisniveau zu sorgen, so ist es in der Regel auch in der Lage, im Fall von Kostenerhöhungen diese durch gezielte Preiserhöhungen – zumindest zum größten Teil – weiterzugeben. Warum aber gelingt dieses oftmals nicht? Die Fehler wurden meistens schon Jahre zurückliegend gemacht und sind typisch für die Maschinenbau- und Automobilzulieferbranche.

Fehler Nummer 1: Preise bei Schnelldreher nicht erhöhen

Fehler Nummer eins ist, im Fall von Kostensteigerungen die Preise für die Langsamdreher drastisch zu erhöhen, die für die Artikel mit mittlerem Absatz ein wenig und die Schnelldreher gar nicht. Dieses führt dazu, dass bei mehr oder weniger baugleichen Artikeln nach Jahren signifikante Preisunterschiede bestehen, die kein Kunde nachvollziehen kann. Eine solche Vorgehensweise hat auf die effektive Marge so gut wie keinen Einfluss, zerstört aber zunehmend das Vertrauen bei den Kunden und die Glaubwürdigkeit in die Preisgestaltung. Gerade bei den Schnelldrehern ist daher eine Preiserhöhung ebenso erforderlich.

Fehler Nummer 2: Kannibalisierung durch Grauimporte

Ein weiterer Fehler, den vielen Unternehmen machen, ist eine fehlende europäische oder gar weltweite Preisharmonisierung. Hierunter ist selbstverständlich nicht zu verstehen, dass ein Artikel weltweit zum selben Preis an denselben Kundenkreis verkauft wird, wobei das optimal wäre, aber nur wenige Unternehmen so konsequent umsetzen. Preisunterschiede von >15% unter benachbarten Märkten oder >30% weltweit fördern jedoch den Grauimport massiv und zerstören langfristig das Marktpreis- und Margenniveau in einem Markt. In Abhängigkeit der potentiellen Grau-Importeure, der Wettbewerbssituation und der Kundenerwartungen muss ein Unternehmen für eine Preisstruktur sorgen, welche allen Kunden gegenüber glaubwürdig ist und einen Grauimport mehr oder weniger unattraktiv macht.

Fehler Nummer 3: unklare Produkt- und Marken-Strategie

Abgesehen von einer heterogenen und oft als historisch gewachsenen Preisstruktur liegt es nicht selten auch an dem Produktprogramm und der Markenstrategie eines Unternehmens selbst, was dazu führt, dass erforderliche Preisanpassungen nur unzureichend umgesetzt werden können. Frei nach der Methode der maximalen Margenabschöpfung werden Marken – oft unabhängig der Klassifizierung nach Premium, Standard oder Budget – in den Märkten und an die Kunden zu oftmals extrem unterschiedlichen Preisen verkauft. Selbstverständlich gibt es Märkte, wo eine Marke aus historischen Gründen als Premium angesehen wird, diese Marke in einem anderen Markt jedoch nur als zweite oder dritte Alternative zu einer anderen Premiummarke betrachtet wird. Wird diese Marke in so einem Markt infolgedessen zu einem Standard oder gar Budget Preisniveau angeboten, wird langfristig deren Premiumreputation zerstört und ein aktiver Grauimport gefördert.

Analyse als Basis

Um die Marge über anpassen der Preise nachhaltig erhöhen zu können, bedarf es einer tiefgreifenden, vorherigen Analyse der IST-Situation – und zwar sowohl hinsichtlich der Preise als auch in Bezug auf eventuell vorhandene alternative Marken bzw. Qualitäten aus demselben Hause. Ist dieses getan oder hat ein Unternehmen die erforderlichen Reformen bereits durchgeführt, so wäre dennoch eine Preisanpassung nach dem Gießkannenprinzip gefährlich. Insbesondere bei den Schnelldrehern bzw. bei den Artikeln, mit denen 80% des Umsatzes erzielt werden, erfordert es einer akribische Kosten-/Preisanalyse auf Artikelbasis. Denn innerhalb eines Produktprogramms unterscheiden sich Konstruktionen und die eingesetzten Materialien oft grundlegend, so dass eine einheitliche, prozentuale Preiserhöhung den veränderten Vollkosten und Marktanforderungen nicht gerecht wird.

Nachhaltiger, statt kurzfristiger Effekt

Alleine das Ausarbeiten einer fundierten Preisreform ist ein Prozess, welcher sich in der Regel über einen Zeitraum von 6…9 Monaten erstreckt. Die darauffolgende Umsetzung erfordert in den ersten Monaten nicht nur ein permanentes Reporting der Absatz- und Umsatzzahlen, sondern nicht selten auch Korrekturen. Hinzu kommt, dass signifikante Preisänderungen (±10%) im Rahmen einer Preisreform über mehrere Schritte und Jahre erfolgen müssen, um Kunden nicht komplett zu verunsichern. In diesem Zusammengang ist es zudem existenziell wichtig, das Vertriebsteam auf die bevorstehenden Preisgespräch mit den Kunden zu schulen. Die Margenfrüchte einer Preisreform sind zudem frühestens in ein paar Monaten nach der Umsetzung sichtbar und signifikante Steigerungen in der Regel sogar erst nach 2…4 Jahren. Dennoch, keine Preisreform anzugehen und umzusetzen ist die schlechteste aller Möglichkeiten, da dieses mit Sicherheit dazu führen wird, dass sich die Margensituation noch weiter verschlechtert.

 

Dirk Hoffmeister, Januar 2025

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